Bevor wir uns noch allzu sehr grämen, nehmen wir die Trollstigen in Angriff. Rauf auf die Motorräder und rein in die Kurven. Ich gebe Thorsten ein Zeichen, dass wir uns unten am Fuß wieder treffen. Bei Serpentinenstraßen ist er immer schneller unterwegs als ich. Doch hier bremse nicht ich ihn aus, das übernehmen heute andere für mich.
12 % Gefälle zwingt die Kolonne aus Bussen und Wohnmobilen zur Schneckengeschwindigkeit. Auf beiden Spuren tuckern die Gefährte vor sich hin. An manchen Stellen ist die Straße so schmal, dass ein Ausweichen kaum möglich ist. Thorsten wagt ein paar Überholmanöver, doch das hilft alles nichts. Unten angekommen, 405 Höhenmeter später, treffen wir uns am Straßenrand mit Blick auf die Strecke wieder.
Thorsten ist entnervt und enttäuscht. Das Panorama ist toll, fahrtechnisch ist die Strecke allerdings kein Genuss. Das hätten wir uns sparen können. Denn tolles Panorama hast du in Norwegen an buchstäblich jeder Ecke und meist ganz für dich allein. Auf der Trollstigen teilst du dir die atemberaubende Landschaft mit unzähligen Touristen. Im Nachhinein checken wir nochmal im Internet: es sind mehrere hunderttausend Menschen im Jahr! Wir machen dennoch am Fuße der Straße ein paar Fotos und schwingen uns dann relativ zügig wieder auf die Motorräder.
Unser Fazit: Absolut kein Muss. Tolle Strecken gibt es in Norwegen genug und die musst du dir selten mit anderen Fahrern teilen. Selbst im Juli (unser Reisezeitraum) hatten wir unglaubliche Gebirgsstrecken und Aussichten für uns allein. Daher würden wir nicht noch ein Mal die Trollstigen anfahren.Nächster Halt: Atlantikstraße (Atlanterhavsvegen)
Nach dem aus Motorradfahrersicht enttäuschenden Start in den Tag setzen wir unsere Fahrt Richtung Norden fort. Es geht wieder an die Küste. Und zwar nach Vevang. Hinter dem kleinen Ort beginnt die Atlantikstraße, in die wir nun unsere Hoffnung auf ein Stück Traumstraße setzen.
Die Atlantikstraße ist zwar nur 8 Kilometer lang, hat es aber in sich. Über 8 Brücken und mehrere kleine Inseln geht es bis nach Averøy. Ursprünglich sollte hier eine Eisenbahn verkehren, 1989 wurde die Straße dann aber für Autos und Motorräder eröffnet. Seitdem hat sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen eingeheimst, u.a. ist sie 2005 zum „norwegischen Bauwerk des Jahrhunderts“ gekürt worden. Da liegen die Erwartungen ganz schön hoch, oder? Wir überzeugen uns vor Ort und schauen, ob die viel gerühmte Straße hält, was sie verspricht.
Und wir können festhalten: die Fahrt über die Atlantikstraße lohnt sich wirklich. Das tosende, raue Meer zu beiden Seiten, den Wind im Gesicht und die geschwungenen Brücken über die Inseln unter den Rädern - ein wunderbares Erlebnis. Wir fahren hin und her, hier kommt fast schon Achterbahnfeeling auf, es kribbelt in der Bauchregion. Motorradfahren macht auf dieser Straße richtig Spaß. Aber auch beim Zwischenstopp auf einer der Inseln kriegen wir das Lächeln kaum aus dem Gesicht. Die Einheimischen angeln und kleine Boote fahren unter den Brücken hindurch. Die Möwen kreischen und der Blick auf die Atlantikstraße inmitten des schimmernden Blaus ist atemberaubend. Idylle pur. Der Wind legt sich und ein Gefühl von Zufriedenheit macht sich in uns breit.
Wir sind uns einig: die Atlantikstraße ist eines unserer Highlights auf dem bisherigen Roadtrip durch Norwegen. Raue Landschaft, das Meer und absolutes Fahrvergnügen - das ist für uns kaum zu toppen. Wenn du also noch zweifeln solltest, welche der Strecken du in deiner Reiseplanung berücksichtigen sollst: Vergiss Trollstigen und fahr die Atlantikstraße!